Eine allgemein bekannte Tatsache ist, dass Sprachen, die in geographischer oder kultureller Berührung sind, ziemlich ungehindert Wörter voneinander “entlehnen”; Wörter neigen dazu, zusammen mit dem Gegenstand oder dem Vorgang, auf den sie sich beziehen, geographische und sprachliche Grenzen zu überschreiten. Ein Großteil der Ähnlichkeiten im Wortschatz verschiedener Sprachen kann darauf beruhen, dass die Sprachen entweder voneinander oder aus einer dritten Sprache Wörter entlehnt haben. (Lyons 1995, 26)
Unter Entlehnung ([engl.] borrowing, loan – auch: Interferenz, Transferenz) (nach Bussman) verstehen wir “Übernahme von syntaktischen, semantischen und grammatischen Charakteristika einer Sprache in eine andere aufgrund von Sprachkontakt und aufgrund politischer, kultureller, wissenschaftlicher und anderen Entwicklungen. Entlehnungen können in einem Sprachraum übernommene Gegenstände und dort bekannt gewordene Fakten bezeichnen oder in der eigenen Sprache schon vorhandene Bezeichnungen in der bestimmten Weise spezifizieren”. (Brockhaus 1997, 424f.)
Bei dem Vorgang der Entlehnung lassen sich mehrere Arten unterscheiden. Meist wird das fremde Wort einfach herübergenommen oder mehr oder weniger der heimischen Lautung angepasst. Geht mit vollständiger lautlicher Angleichung an den einheimischen Bestand auch eine Deutung zusammen, dann haben wir Fall der Eindeutschung vor uns. Früher sagte man über diese Art “Volksetymologie”, wobei man die “falsche” Etymologie des “Volkes” der “richtigen” der gelehrten gegenüberstellte. (Porzig 1950, 150)
Aber die Übernahme eines fremden Wortes ist nicht die einzige Art der Entlehnung. Eine andere, ebenfalls sehr häufige, besteht darin, dass ein fremdes Wort in seinen einzelnen Bestandteilen aus heimischem Sprachgut nachgebildet, gewissermaßen stückweise übersetzt wird. Man nennt die Nachbildungen Lehnübersetzungen. Sie sind sehr viel häufiger, als man zunächst glaubt und treten zu allen Zeiten in der Geschichte einer Sprache auf. (Porzig 1950, 207)
Eine dritte Art der Entlehnung ist die Ausweitung des Geltungsbereichs eines einheimischen Wortes nach dem Vorbild eines fremden, dessen Anwendung ursprünglich nur teilweise mit der des heimischen übereinstimmte. Diese Art der Entlehnung nennt man die Bedeutungsentlehnung. (Porzig 1950, 208)…